Tabaka Derby Messer's Gesammelte Horrorgeschichten - Band I
Siebzehn Gruselgeschichten       ©  2005  Heike Hilpert, Selbstverlag
 Titel
 Vorwort
 Inhalt
 Der Mann mit dem Messer
 Das Gespensterschloss
 In Trance
 Der untrügliche Beweis
 Eine ungewöhnliche Hochzeitsnacht
 Der Whiskyvampir
 Spieglein, Spieglein an der Wand
 Die Sterne lügen nicht
 Blumen für Mr Carmichael
 Der Schlüssel
 Ein eleganter Pelz
 Maskerade
 Das Bauopfer
 Das Leben nach dem Tode
 Television City
 Der Vegetarier
 Im Schatten
 Information zur Autorin
 Literaturhinweis
 Impressum
Die Sterne lügen nicht

  Glauben Sie an Astrologie? Glauben Sie, dass die Sterne, obwohl sie Lichtjahre weit entfernt sind, unser Schicksal beeinflussen? Ich für meinen Teil, das schicke ich voraus, tue es nicht. Doch wer kümmert sich schon darum, was Wahrheit und was Scharlatanerie ist! Viele halten die Astrologie für eine ernsthafte Wissenschaft, glaubwürdig und rechtschaffen, und in jeder gut gestalteten Boulevardzeitung findet sich inzwischen ein Ratgeber fürs Leben in Form eines Tageshoroskops. Da weiß man bereits vorher, wann einem die Liebe lacht, wann es sich lohnt, nett zum Chef zu sein, weil eine Beförderung ins Haus steht, wann man sich warm anziehen muss, weil man Gefahr läuft, sich einen Schnupfen zu holen, wann man Lotto spielen sollte, weil man gerade eine Glückssträhne hat, wann man im Straßenverkehr Obacht geben muss und wann es am besten ist, gleich im Bett zu bleiben, weil der Tag ohnehin bloß Unannehmlichkeiten bringt.
  Ein jeder möchte gern das ihm vorbestimmte Los erforschen und in die Zukunft blicken. Man befragt die Kristallkugel oder die Sterne. Einige ziehen auch das Pendel zu Rate. Der eine liest in der Bibel, der andere in den Karten, der Dritte sogar in den Handlinien.
  Schlimm wird es allerdings, wenn jemand zwischen zwei Weltanschauungen hin- und hergerissen ist - wie Mr Edgar Spring, der sich nicht entscheiden konnte zwischen dem Wort Gottes, besser gesagt, dem des ortsansässigen Pfarrers, und den Prophezeiungen selbst ernannter Sterndeuter.

  »Vergib mir, Vater, denn ich habe gesündigt«, begann Edgar demütig, denn Pastor Raven machte ihm Angst. Seine Stimme zitterte so, als stünde er bereits vorm Jüngsten Gericht. Nun war es wieder an der Zeit, die Beichte abzulegen und zu bekennen, was er Sündhaftes gedacht, gesprochen und getan.
  »Ich habe in der vergangenen Woche keine Zigarette geraucht, keinen Alkohol angerührt und nicht gelogen, bin meiner Frau treu gewesen und habe jeden Abend zu Gott gebetet«, sagte Edgar mit einem gewissen Stolz auf seine Tugendhaftigkeit.
  Edgar Spring, ein junger Mann von dreiunddreißig Jahren, arbeitete tagsüber bei einer Bank; abends ging er seiner Frau Wendy im Haushalt zur Hand. Eigentlich war er das Ideal eines Ehemanns und dazu auch noch recht attraktiv. Er war mittelgroß und gertenschlank, hatte dichtes, dunkles Haar, eine Denkerstirn und sympathische graue Augen. Trotz seiner offenkundigen Bescheidenheit wirkte er äußerst intelligent und humorvoll.
  Bevor er Wendy kennengelernt hatte, war er jedoch ein nichtsnutziger, anmaßender Schürzenjäger gewesen und hatte stets eine Lüge auf den Lippen und eine Zigarette im Mundwinkel gehabt. Wendy hatte aber seinen guten Charakter erkannt und den ungläubigen Sünder in die Obhut des katholischen Pfarrers Raven gegeben. Dieser trieb ihm seither ein Laster nach dem anderen aus.
  Nur eine schwache Seite hatte Edgar noch: Wenn er in einer Illustrierten ein Horoskop erblickte, konnte er nicht umhin, es zu lesen. Er versuchte davon abzulassen, doch er war nicht dazu imstande, und wenn er es sich so recht überlegte, fehlte ihm wohl auch der nötige Wille. Hatte er ja sonst nichts mehr vom Leben! Er vermisste die Abwechslung, was Frauen anbetraf - Wendy war auf die Dauer schon etwas eintönig -, und er sehnte sich nach einer edlen Zigarette, die sich in elegante blaue Rauchwölkchen auflöste, und einem scharfen Whisky mit wenig Geschmack, aber starker Wirkung. Da er nun brav Verzicht übte und kreatives Lügen nicht länger gefragt war, wollte er sich zumindest den Glauben an die Astrologie nicht nehmen lassen.
  Doch Wendy, alles in allem eine blasse Erscheinung und Katholikin aus Passion, klagte bei Pastor Raven, der für seine Schäfchen stets ein offenes Ohr hatte, über die Lasterhaftigkeit und Verderbtheit ihres Mannes. Deshalb hatte der Geistliche stets ein wachsames Auge auf Edgar.
  »Das ist ja sehr erfreulich, mein Sohn. Sicherlich hast du aber auch Sünden begangen. Hier ist der Ort und jetzt ist die Stunde, deine Verfehlungen vor dem Herrn zu bekennen«, forderte Raven Edgar auf, endlich zur Sache zu kommen. Der Pastor war ziemlich ungehalten über so viel Eigenlob.
  »Ich habe nichts Unrechtes getan, außer dass ich manchmal zu selbstgefällig bin. Vorigen Montag habe ich meine Frau gescholten, weil das Essen angebrannt war. Am Dienstag konnte ich nur mit Mühe widerstehen, als mir ein Kollege zweideutige Filme anbot. Gestern habe ich es versäumt, zu beten. Ich hatte mir einen Thriller angesehen - der kam erst spät in der Nacht -, und dann war ich so müde, dass ich es vergessen habe.«
  »Sehr gut. So ist es gut«, murmelte Raven zufrieden. »Einsicht ist der erste Weg zur Besserung.«
  Nach einer sich schier endlos in die Länge ziehenden Minute eisigen Schweigens fragte der Pfarrer: »Was hältst du denn von der Astrologie, mein Sohn?«
  Edgar fühlte sich ertappt. Er konnte zwar nicht viel von Raven sehen; ein mahnender Unterton in seiner Stimme war aber nicht zu überhören.
  »Es ist wahr, ich konnte nicht anders als jeden Tag das Horoskop lesen. Ich habe eine große Sünde begangen.«
  »Du glaubst doch nicht daran, dass die Sterne unser Schicksal bestimmen? Das tut der Herr allein, wie du weißt.«
  »Ich glaube an Gott, den Allmächtigen, und nicht an die Macht der Sterne.«
  »Und warum liest du dann das Horoskop?«, höhnte der Pastor mit schneidender Stimme.
  »Ich weiß nicht so recht. Es ist eher eine dumme Angewohnheit.«
  »Die solltest du schleunigst ablegen und der Astrologie schnellstens abschwören, mein Sohn.«
  »Ja, das werde ich tun. Ich bereue all meine Sünden«, beteuerte Edgar unterwürfig. Doch er wusste, dass er nicht davon lassen konnte, und der Priester wusste das auch.
  Schließlich erteilte Raven ihm die Absolution.


* * *

  Pastor Raven war ein stattlicher Mann mit dichtem schwarzem Haar und misstrauisch blickenden grauen Augen. Seine dürre Nase schien etwas krumm. Seine Stirn war leicht gewölbt und von tiefen Falten zerfurcht. Das rührte wohl daher, dass er sehr viel grübelte, obgleich nichts Wesentliches dabei herauskam. Raven hatte ein sicheres Auftreten und einen festen Schritt. Seine Stimme klang hell und klar, zuweilen jedoch ein wenig streng, mitunter geradezu bedrohlich.
  Der Geistliche dachte in letzter Zeit des Öfteren über Edgar Spring, den armen Sünder, nach. Wie es den Pfarrern eigen ist, spielte er die Angelegenheit künstlich hoch, machte sozusagen aus einer Mücke einen Elefanten, steigerte sich in diesen Fall hinein, ja verzweifelte fast daran. Was tat er nicht alles, um den Abtrünnigen auf den rechten Weg zurückzubringen! Wie oft erläuterte er ihm, dass die Astrologie jeder vernünftigen Grundlage entbehre, eine Wissenschaft des Satans sei und nur einen Sinn habe, nämlich die Seele zu vergiften! Doch es war immer vergebens. Edgar gelobte zwar stets Besserung, vergaß aber seine guten Vorsätze auch schon, sobald er die Freitreppe vorm Kirchenportal hinabstieg. So viel Ungehorsam konnte ein pflichtbewusster Priester wie Raven einfach nicht länger dulden. Er hatte alles, wirklich alles versucht, die bedauernswerte Seele des Mr Spring vor dem Fegefeuer zu retten - ohne Erfolg. Edgar entfernte sich offenbar zusehends von Gott. Selten besuchte er die Messe und zur Beichte ging er nur widerstrebend. Dass er überhaupt noch kam, war wohl bloß seiner guten Frau zu verdanken. Raven erkannte scharfsinnig, dass die Sterne mehr und mehr von Edgar Besitz ergriffen. Wenn er, der Verantwortung trug für das schwarze Schaf, nicht bald etwas unternehmen würde, wäre Edgars Seele verloren. So sann er nun darüber nach, wie er Spring auf die Probe stellen konnte, und schließlich hatte er eine Idee.


* * *

  Sofort begann der eifrige Pastor, seinen Geistesblitz in die Tat umzusetzen. Hinterhältig erkundigte er sich deshalb bei Wendy Spring nach den Magazinen, in denen Edgar gewöhnlich das Horoskop nachschlug, als sich die Leidgeprüfte bei ihm - wie so oft - über das sündige Verhalten ihres ungläubigen Ehemannes beklagte.
  »Er bezieht die Zeitschrift C.*«, gab Wendy bereitwillig Auskunft, nicht ahnend, was der Pfarrer im Schilde führte.
  »Dass er nur die C. kauft, beweist, wie schlimm es um ihn steht«, schlussfolgerte daraus sichtlich erschrocken der Priester. »Es ist ein schlechtes Zeichen. Würde er mehrere Horoskope aus verschiedenen Zeitungen miteinander vergleichen, könnten wir davon ausgehen, dass er wenigstens misstrauisch ist. Die Tatsache aber, dass er sich mit einer einzigen Sterndeutung begnügt, macht mir klar, dass er nicht den geringsten Zweifel hegt. Ich fürchte, er ist besessen von der Astrologie und verloren für das Paradies.«
  »Was kann ich bloß für ihn tun, Herr Pfarrer?«, fragte Wendy mit unsagbarer Trauer in der Stimme und einem trostlosen Ausdruck in dem spitzen, blassen Gesicht, wobei ihre halblangen, aschblonden Haare noch schlaffer und kraftloser herabhingen als sonst.
  »Gar nichts kannst du tun, meine Tochter - nur beten!« Ravens Gebärden wirkten, als trage er Spring schon zu Grabe, und vor seinem geistigen Auge sah er, wie ein Vasall des Teufels den aufgespießten Edgar gemächlich über einem großen Holzfeuer röstete, während der Satan selbst, eine Serviette aus Menschenhaut um den Hals, bereits mit Messer und Gabel fuchtelte und schrie: »Wann ist mein Abendessen endlich gar?«, woraufhin er dreimal wütend mit dem Pferdefuß auf den Mosaikboden aus glühenden Kohlen stampfte.


* * *

  Der zweite Schritt war schnell getan. Von nun an kaufte sich der Pastor jeden Tag am Kiosk die C.
  »Seit wann interessiert sich denn ein Mann Gottes für so eine weltliche Zeitschrift?« Der Händler war überrascht. »Na ja, warum sollen Sie sich nicht auch mal was gönnen!«
  Der Zeitungsverkäufer lachte hämisch und entblößte seine großen weißen Zähne. Er nahm den Geistlichen gern auf den Arm, denn er mochte den Fanatiker nicht leiden. Der Pastor verachtete den Anderen sogar, galt dieser doch von jeher als unverbesserlicher Heide.
  »Meine Haushälterin liest die C., nicht ich«, log der Priester, obwohl er stets Ehrlichkeit predigte. Weil er es heute mal mit der Wahrheit nicht so genau nehmen konnte, bekreuzigte er sich sogleich. Es diente schließlich einem guten Zweck.
  Als Raven sich im Pfarrhaus an seinen Schreibtisch setzte, sofort die C. aufschlug und nach dem Horoskop Ausschau hielt, staunte selbst seine emsige Haushälterin Mrs Cryder: »Aber Herr Pfarrer, Sie lesen solch ein Boulevardblatt? Und noch dazu das Horoskop!«
  »Nur zu Studienzwecken, Mrs Cryder. Ich muss mich ja erst einmal informieren, bevor ich die Opfer dieser Teufelei retten und zum rechten Glauben bekehren kann.«
  »Ach so!«, meinte Mrs Cryder und entfernte sich, Staub wischend.
  Raven durchforstete indessen sorgfältig das Horoskop. Er wusste, dass Edgar am 15.10.1957 geboren worden war. Nun musste er sehen, zu welchem Sternzeichen Spring gehörte. - Aha! Waage. Da stand:

Hüten Sie sich vor Geldgeschäften und vorm Glücksspiel!
Sie haben heute Pech. - Gegen Abend treffen Sie einen
alten Bekannten. - Geben Sie Acht bei der Erledigung
besonderer Aufgaben im Job!

  Na, das war eine ziemlich magere Ausbeute! Natürlich hätte er als »alter Bekannter« in Erscheinung treten können, doch wollte er Spring ja nicht in seinem sündhaften Irrglauben bestärken. Langmut hatte er bereits genug geübt. Jetzt durfte er Edgar bloß eine letzte Chance geben. Das heutige Horoskop taugte nicht für ein solches Unterfangen. Also hieß es sich weiter gedulden.


* * *

  Es vergingen einige Wochen, ohne dass sich eine Gelegenheit bot, Spring zu testen. Zu guter Letzt aber hatten sich das Warten und die Mühe des Pfarrers gelohnt, denn eines schönen Morgens mitten im goldenen Herbst, als der Wind die bunten Blätter auf den Wegen tanzen ließ, erschien folgendes Tageshoroskop für Waagen in der Zeitschrift C.:

Heute ist Ihr absoluter Glückstag. Eine Beförderung
steht bevor und ein Ehestreit wird beigelegt. - Alle
Oktober-Waagen [Edgar gehörte zu selbigen]
haben Grund zur Freude: Ein unbekannter Wohltäter
führt Sie vielleicht zu einem Schatz.

  Das war es! Nun war die Zeit gekommen, Edgar zu prüfen. Pastor Raven kämpfte heftig gegen die innere Unruhe an, durfte ja von seinem Vorhaben niemand etwas merken. Ungeduldig zählte er die Stunden. Als es endlich zu dämmern begann, setzte er einen großen schwarzen Hut auf und rückte ihn tief in die Stirn, zog seinen schwarzen Mantel an, schlug den Kragen hoch und machte sich frohgemut auf den Weg zu Edgar. Lange Zeit wanderte der Geistliche umher. Letzte Zweifel plagten ihn. Dann war er sich seiner Sache völlig sicher und steuerte schnurstracks auf Springs Haus zu.
  Edgar hatte unterdessen einen ähnlich nervenaufreibenden Tag hinter sich. Natürlich hatte er beim Lesen des Horoskops die Chance seines Lebens gewittert. Die Beförderung war zwar ausgeblieben und der ewige Streit mit Wendy nahm ein immer schlimmeres Ausmaß an, statt sich in Wohlgefallen aufzulösen; wenn aber die Sache mit dem Schatz zutreffen sollte, wäre er ein gemachter Mann. Er würde die lästige Wendy sitzen lassen und wegziehen. Die Kleinstadt war ihm ohnehin zuwider. Er hatte all die Leute und besonders den fanatischen Priester wirklich satt. Seine ganze Hoffnung knüpfte er nun an diese Prophezeiung. Wie oft hatten die Sterne ihn schon an der Nase herumgeführt! Wenn es nur dieses eine Mal in Erfüllung ginge! Während er so nachsann - die Uhr schlug eben Mitternacht -, glaubte er draußen Schritte zu hören.
  Wohlweislich Wendy nichts verratend, sagte er: »Ich gehe noch mal raus, ein bisschen frische Luft schnappen.«
  »Bei diesem Nebel?«, wunderte sie sich. »Ich denke, du hasst solches Wetter!«
  Edgar ließ sie einfach reden und stricken. Er flitzte hinaus auf die Straße, wo ihn bereits der »unbekannte Wohltäter« erwartete.
  »Folge mir!«, murmelte der verkleidete Pastor mit verstellter Stimme.
  »Zeigen Sie mir meinen Schatz?«, sprudelte der gefoppte Edgar hervor.
  »Das werde ich tun.«
  »Wurden Sie von den Sternen berufen?«
  »Ich bin gesandt, komme sozusagen von dort.« Dabei deutete Raven mit dem Zeigefinger gen Himmel.
  »O Gott!«, rief Edgar begeistert. »Dann sind Sie ja ein Außerirdischer!« Er wähnte sich schon am Ziel seiner Wünsche.
  Der vermeintlich außerirdische und doch allzu irdische Besucher eilte geschwind durch die engen Gässchen, in denen der weiße Nebel in jedem Winkel saß und alles vereinnahmt hatte. Spring war der schemenhaften Gestalt dicht auf den Fersen, aber von Minute zu Minute schwanden seine Kräfte. Der in Schwarz gehüllte Bote der Sterne schien meterlange Schritte zu tun und laut hallte ihr Echo durch die Stille der Nacht. Edgar trippelte seinem »Wohltäter« schweißgebadet hinterher.
  »Ist es noch weit?«, fragte er.
  »Gleich sind wir da!«, entgegnete die helle Stimme.
  Alles war so unheimlich und gar nicht typisch für eine Schatzsuche. Wo in diesen Häuserschluchten sollte eine reiche Beute auf Edgar warten? Auch die Stimme meinte er zu kennen, jedoch woher? Plötzlich war der Fremde nicht mehr zu sehen.
  »Hier bin ich!«, lockte er.
  Edgar bog um die Ecke. Der Nebel machte ihm merklich zu schaffen; das Atmen fiel ihm schwer. Bald war der dunkle Schatten wieder außer Sicht.
  »Hier!«, raunte die Stimme.
  Allmählich wurde die Schatzsuche zum Versteckspiel.
  »Aaah!«, ertönte unvermittelt ein gellender, herzzerreißender Schrei.
  Die Falle war zugeschnappt, die Mission beendet, die Seele gerettet. Der Pfarrer ging erleichtert nach Hause.


* * *

  Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Am nächsten Morgen fand man Spring. Er war im Nebel in einen großen Schacht gestürzt und hatte die Absperrung mit sich in die Tiefe gerissen. Bei diesem jähen Fall hatte Edgar sich freilich das Genick gebrochen.
  Wenige Tage später sprach Pastor Raven am Grab ein paar tröstende Worte und pries sein Opferlamm als einen aufrichtigen, ehrenhaften, gottesfürchtigen Mann. Blumen und Kränze wurden abgelegt. Ein düsterer Geiger kratzte disharmonisch eine alte Weise voll Melancholie, als der Sarg sich senkte. Die Trauergemeinde drückte der Witwe ihre Beileidsbezeigungen aus.

  Und die Moral von der Geschichte lautet: Die Sterne lügen nicht, und sei es, dass man etwas nachhelfen muss.



* Die Zeitschrift, die ich hier »C.« nenne, spielt übrigens noch eine bedeutende Rolle. Natürlich hat das Blatt einen einladenderen Namen, den ich jedoch nicht erwähne, um jedwede Schleichwerbung zu vermeiden. (Anm. v. T. D. M.)                          [«]

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